Freitag, 21. Juni 2019

Die wahre Geschichte einer Kindertherapie

Ich hatte mein Vorexamen als Kindertherapeutin abgeschlossen und durfte endlich kontrolliert Kinder therapieren.
So kam zu mir ein kleiner, hoch intelligenter Junge, der vor lauter Aggression nichts wie Probleme hatte und auf dem besten Weg war, sein Glück und sein Leben zu zerstören.

Wir spielten Räuber und Gendarm, und ich ließ seine Aggression kommen und lockte sie immer mehr heraus. Dabei schaltete ich auf Intuition. Dann, mitten auf dem Höhepunkt, packte ich ihn unvermittelt und drückte ihn an mein Herz, mit festem Zugriff, und sagte: "Der Räuber tut lauter böse Dinge, aber sein Herz ist gut!" ... 
Da rief er: "Nein, sein Herz ist böse!" 
Ich rief: "Nein, sein Herz ist aber gut!" 
Es ging hin und her. Er strampelte verzweifelt, um von meiner Liebe freizukommen, aber ich ließ nicht los und beharrte auf seinem guten Herzen. Ich hielt fest und pflanzte Grenzen und Liebe in sein Herz. Dann ließ ich unvermittelt los. 
Die Stunde war  zu Ende.

In der folgenden Therapiestunde schleppte er einen zwei Meter langen Ast eines blühenden Kirschbaumes für mich an, den er aus einem Garten gestohlen hatte. 
Er kam kaum durch die Türe. 
Und auf dem Heimweg schrieb er dann seinen Namen mit riesigen Kreidebuchstaben über das ganze Trottoir auf der belebten Straße. 

Es war der Name des wiedergefundenen, eigenen guten Herzens und Selbstwertgefühls, der Name eines endlich geliebten Kindes, das Liebe schenken darf, statt seine Verzweiflung immer wieder und wieder in Aggression ausdrücken zu müssen.

Unnötig zu sagen, dass er bald gesund wurde.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen